Im PS vom 18.4.13

Am 8. April wurde im Kantonsrat über einen Vorstoss debattiert, welcher in die vorschulische Sprachförderung investieren möchte. Selbstverständlich wurde der Vorstoss von der bürgerlichen Mehrheit im Rat abgelehnt. Interessant, wenn auch ebenfalls nicht unerwartet fand ich die Begründung von Vertretern der SVP: Investitionen in die frühe Sprachförderung würde die Eigenverantwortung unterbinden.

In der Liste der Lieblingswörter von bürgerlichen Politikern und Politikerinnen steht der Begriffe „Eigenverantwortung“ ganz weit oben, vermutlich direkt hinter „Freiheit“ und „Leistung“. Grundsätzlich kann ja inhaltlich auch niemand etwas gegen Eigenverantwortung haben: Wer möchte den schon fremdbestimmt sein? Nach dieser Rhetorik ist „Eigenverantwortung“ eine Voraussetzung individueller „Freiheit“, oder zumindest Vorbedingung für den Anreiz (um ein weiter Lieblingswort zu verwenden) „Leistung“ zu erbringen. Wer es zu nichts bringt ist „eigenverantwortlich“ selber schuld. Der Mythos der Leistungsgesellschaft setzt Eigenverantwortung voraus.

Je nach politischer Couleur ist die Leistungsgesellschaft wünschenswert oder nicht und mehr oder weniger real existent. Ich persönlich denke, dass Leistung ein geeigneter Indikator wäre um gesellschaftlich wertvolle Güter gerecht zu verteilen, wenn den 1. auch wirklich die Leistung zählen würde und 2. gerechte Voraussetzungen für die Erbringung von Leistung gewährt wären. Beides ist nicht der Fall. Der Vorstoss im Rat sollte genau bei diesen Voraussetzungen ansetzen.

In der Bildungspolitik ist der Begriff „Eigenverantwortung“ besonders beliebt. Vermutlich liegt es daran, dass die Bildung in der Legitimation der Leistungsgesellschaft eine zentrale Rolle spielt. Das Bildungssystem ist sowohl Wissensvermittler, als auch Türsteher der Arbeitswelt. Die schulische Leistung und daraus resultierenden Zeugnisse und Zertifikate legitimieren unterschiedliche berufliche Positionen und Einkommen, indem sie, so zumindest der Mythos, die Leistung der Kinder messen. Und so erstaunt es nicht weiter, dass auch in dieser Diskussion der vorschulischen Sprachförderung der Begriff der „Eigenverantwortung“ eine zentrale Rolle spielt, wobei es in diesem Kontext zwei mögliche Interpretationen des Begriffs gibt. Entweder erwarten die Vertreter der SVP Eigenverantwortung von Kindern, welche die eigenen Schuhe noch nicht binden können, oder, und so war es gemeint, die „Eigenverantwortung“ der Eltern für das Wohl ihrer Kinder. Doch wie kann man den „Eigenverantwortung“ für andere übernehmen? Wenn die Eltern ihre FREMDverantwortung nicht übernehmen, oder übernehmen können, so muss die Allgemeinheit diese Aufgabe übernehmen. Nur so haben alle die gleichen Chancen Leistung zu erbringen.